The Collaborative Mendel Mendel's Paper: A Collaborative Hypertext
11: Schluss-Bemerkungen


Versuche über Pflanzen-Hybriden (1865)
von Gregor Mendel.


Schluss-Bemerkungen.

Es dürfte nicht ohne Interesse sein, die bei Pisum gemachten Beobachtungen mit den Resultaten zu vergleichen, zu welchen die beiden Autoritäten in diesem Fache, Kölreuter und Gärtner, bei ihren Forschungen gelangt sind. Nach der übereinstimmenden Ansicht beider halten die Hybriden der äusseren Erscheinung nach entweder die Mittelform zwischen den Stammarten, oder sie sind dem Typus der einen oder der anderen näher gerückt, manchmal von denselben kaum zu unterscheiden. Aus den Samen derselben gehen gewöhnlich, wenn die Befruchtung durch den eigenen Pollen geschah, verschiedene von dem normalen Typus abweichende Formen hervor. In der Regel behält die Mehrzahl der Individuen aus einer Befruchtung die Form der Hybride bei, während andere wenige der Samenpflanze ähnlicher werden und ein oder das andere Individuum der Pollenpflanze nahe kommt. Das gilt jedoch nicht von allen Hybriden ohne Ausnahme. Bei einzelnen sind die Nachkommen theils der einen, theils der anderen Stammpflanze näher gerückt, oder sie neigen sich sämmtlich mehr nach der einen oder der anderen Seite hin; bei einigen aber bleiben sie der Hybride vollkommen gleich und pflanzen sich unverändert fort. Die Hybriden der Varietäten verhalten sich wie die Species-Hybriden, nur besitzen sie eine noch grössere Veränderlichkeit der Gestalten und eine mehr ausgesprochene Neigung, zu den Stammformen zurückzukehren.

In Bezug auf die Gestalt der Hybriden und ihre in der Regel erfolgende Entwicklung ist eine Uebereinstimmung mit den bei Pisum gemachten Beobachtungen nicht zu verkennen. Anders verhält es sich mit den erwähnten Ausnahms-Fällen. Gärtner gesteht selbst, dass die genaue Bestimmung, ob eine Form mehr der einen oder der anderen von den beiden Stammarten ähnlich sei, öfter grosse Schwierigkeiten habe, indem dabei sehr viel auf die subjective Anschauung des Beobachters ankommt. Es konnte jedoch auch ein anderer Umstand dazu beitragen, dass die Resultate trotz der sorgfältigsten Beobachtung und Unterscheidung schwankend und unsicher wurden. Für die Versuche dienten grösstentheils Pflanzen, welche als gute Arten gelten und in einer grösseren Anzahl von Merkmalen verschieden sind. Nebst den scharf hervortretenden Characteren müssen da, wo es sich im Allgemeinen um eine grössere oder geringere Aehnlichkeit handelt, auch jene Merkmale eingerechnet werden, welche oft schwer mit Worten zu fassen sind, aber dennoch hinreichen, wie jeder Pflanzenkenner weiss, um den Formen ein fremdartiges Aussehen zu geben. Wird angenommen, dass die Entwicklung der Hybriden nach dem für Pisum geltenden Gesetze erfolgte, so musste die Reihe bei jedem einzelnen Versuche sehr viele Formen umfassen, da die Gliederzahl bekanntlich mit der Anzahl der differirenden Merkmale nach den Potenzen von 3 zunimmt. Bei einer verhältnissmässig kleinen Anzahl von Versuchspflanzen konnte dann das Resultat nur annähernd richtig sein und in einzelnen Fällen nicht unbedeutend abweichen. Wären z. B. die beiden Stammarten in 7 Merkmalen verschieden, und würden aus den Samen ihrer Hybriden zur Beurtheilung des Verwandtschafts-Grades der Nachkommen 100 bis 200 Pflanzen gezogen, so sehen wir leicht ein, wie unsicher das Urtheil ausfallen müsste, da für 7 differirende Merkmale die Entwicklungsreihe 16,384 Individuen unter 2187 verschiedenen Formen enthält. Es könnte sich bald die eine, bald die andere Verwandtschaft mehr geltend machen, je nachdem der Zufall dem Beohachter diese oder jene Formen in grösserer Anzahl in die Hand spielt.

Kommen ferner unter den differirenden Merkmalen zugleich dominirende vor, welche ganz oder fast unverändert auf die Hybride übergehen, dann muss an den Gliedern der Entwicklungsreihe immer jene der beiden Stammarten mehr hervortreten, welche die grössere Anzahl der dominirenden Merkmale besitzt. In dem früher bei Pisum für dreierlei differirende Merkmale angeführten Versuche gehörten die dominirenden Charactere sämmtlich der Samenpflanze an. Obwohl die Glieder der Reihe sich ihrer inneren Beschaffenheit nach gleichmässig zu beiden Stammpflanzen hinneigen, erhielt doch bei diesem Versuche der Typus der Samenpflanze ein so bedeutendes Uebergewicht, dass unter je 64 Pflanzen der ersten Generation 54 derselben ganz gleich kamen, oder nur in einem Merkmale verschieden waren. Man sieht, wie gewagt es unter Umständen sein kann, bei Hybriden aus der äusseren Uebereinstimmung Schlüsse auf ihre innere Verwandtschaft zu ziehen.

Gärtner erwähnt, dass in jenen Fällen, wo die Entwicklung eine regelmässige war, unter den Nachkommen der Hybriden nicht die beiden Stammarten selbst erhalten wurden, sondern nur einzelne ihnen näher verwandte Individuen. Bei sehr ausgedehnten Entwicklungsreihen konnte es in der That nicht anders eintreffen. Für 7 differirende Merkmale z. B. kommen unter mehr als 16,000 Nachkommen der Hybride die beiden Stammformen nur je einmal vor. Es ist demnach nicht leicht möglich, dass dieselben schon unter einer geringen Anzahl von Versuchspflanzen erhalten werden; mit einiger Wahrscheinlichkeit darf man jedoch auf das Erscheinen einzelner Formen rechnen, die demselben in der Reihe nahe stehen.

Einer wesentlichen Verschiedenheit begegnen wir bei jenen Hybriden, welche in ihren Nachkommen constant bleiben und sich eben so wie die reinen Arten fortpflanzen. Nach Gärtner gehören hieher die ausgezeichnet fruchtbaren Hybriden: Aquilegia atropurpurea-canadensis, Lavatera pseudolbia-thuringiaca, Geum urbano-rivale und einige Dianthus-Hybriden; nach Wichura die Hybriden der Weidenarten. Für die Entwicklungsgeschichte der Pflanzen ist dieser Umstand von besonderer Wichtigkeit, weil constante Hybriden die Bedeutung neuer Arten erlangen. Die Richtigkeit des Sachverhaltes ist durch vorzügliche Beobachter verbürgt und kann nicht in Zweifel gezogen werden. Gärtner hatte Gelegenheit, den Dianthus Armeria-deltoides bis in die 10. Generation zu verfolgen, da sich derselbe regelmässig im Garten von selbst fortpflanzte.

Bei Pisum wurde es durch Versuche erwiesen, dass die Hybriden verschiedenartige Keim- und Pollen-Zellen bilden, und dass hierin der Grund für die Veränderlichkeit ihrer Nachkommen liegt. Auch bei anderen Hybriden, deren Nachkommen sich ähnlich verhalten, dürfen wir eine gleiche Ursache voraussetzen; für jene hingegen, welche constant bleiben, scheint die Annahme zulässig, dass ihre Befruchtungszellen gleichartig sind und mit der Hybriden-Grundzelle ühereinstimmen. Nach der Ansicht berühmter Physiologen vereinigen sich bei den Phanerogamen zu dem Zwecke der Fortpflanzung je eine Keim- und Pollenzelle zu einer einzigen Zelle*, welche sich durch Stoffaufnahme und Bildung neuer Zellen zu einem selbständigen Organismus weiter zu entwickeln vermag. Diese Entwicklung erfolgt nach einem constanten Gesetze, welches in der materiellen Beschaffenheit und Anordnung der Elemente begründet ist, die in der Zelle zur lebensfahigen Vereinigung gelangten. Sind die Fortpflanzungszellen gleichartig und stimmen dieselben mit der Grundzelle der Mutterpflanze überein, dann wird die Entwicklung des neuen Individuums durch dasselbe Gesetz geleitet, welches für die Mutterpflanze gilt. Gelingt es, eine Keimzelle mit einer ungleichartigen Pollenzelle zu verbinden, so müssen wir annehmen, dass zwischen jenen Elementen beider Zellen, welche die gegenseitigen Unterschiede bedingen, irgend eine Ausgleichung stattfindet. Die daraus hervorgehende Vermittlungszelle wird zur Grundlage des Hybriden-Organismus, dessen Entwicklung nothwendig nach einem anderen Gesetze erfolgt, als bei jeder der beiden Stammarten. Wird die Ausgleichung als eine vollständige angenommen, in dem Sinne nämlich, dass der hybride Embryo aus gleichartigen Zellen gebildet wird, in welchen die Differenzen gänzlich und bleibend vermittelt sind, so würde sich als weitere Folgerung ergeben, dass die Hybride, wie jede andere selbständige Pflanzenart, in ihren Nachkommen constant bleiben werde. Die Fortpflanzungszellen, welche in dem Fruchtknoten und den Antheren derselben gebildet werden, sind gleichartig und stimmen mit der zu Grunde liegenden Vermittlungszelle überein.


* Bei Pisum ist es wohl ausser Zweifel gestellt, dass zur Bildung des neuen Embryo eine vollständige Vereinigung der Elemente beider Befruchtungszellen stattfinden müsse. Wie wollte man es sonst erklären, dass unter den Nachkommen der Hybriden beide Stammformen in gleicher Anzahl und mit allen ihren Eigenthümlichkeiten wieder hervortreten? Wäre der Einfluss des Keimsackes auf die Pollenzelle nur ein äusserer, wäre demselben blos die Rolle einer Amme zugetheilt, dann könnte der Erfolg einer jeden künstlichen Befruchtung kein anderer sein, als dass die entwickelte Hybride ausschliesslich der Pollenpflanze gleich käme, oder ihr doch sehr nahe stände. Das haben die bisherigen Versuche in keinerlei Weise bestätigt. Ein gründlicher Beweis für die vollkommene Vereinigung des Inhaltes beider Zellen liegt wohl in der allseitig bestätigten Erfahrung, dass es für die Gestalt der Hybride gleichgiltig ist, welche von den Stammformen die Samen- oder Pollenpflanze war.


Bezüglich jener Hybriden, deren Nachkommen veränderlich sind, dürfte man vielleicht annehmen, dass zwischen den differirenden Elementen der Keim- und Pollenzelle wohl insofern eine Vermittlung stattfindet, dass noch die Bildung einer Zelle als Grundlage der Hybride möglich wird, dass jedoch die Ausgleichung der widerstrebenden Elemente nur eine vorübergehende sei und nicht über das Leben der Hybridpflanze hinausreiche. Da in dem Habitus derselben während der ganzen Vegetationsdauer keine Aenderungen wahrnehmbar sind, müssten wir weiter folgern, dass es den differirenden Elementen erst bei der Entwicklung der Befruchtungszellen gelinge, aus der erzwungenen Verbindung herauszutreten. Bei der Bildung dieser Zellen betheiligen sich alle vorhandenen Elemente in völlig freier und gieichmässiger Anordnung, wobei nur die differirenden sich gegenseitig auschliessen. Auf diese Weise würde die Entstehung so vielerlei Keim- und Pollenzellen ermöglicht, als die bildungsfähigen Elemente Combinationen zulassen.

Die hier versuchte Zurückführung des wesentlichen Unterschiedes in der Entwicklung der Hybriden auf eine dauernde oder vorübergehende Verbindung der differirenden Zellelemente kann selbstverständlich nur den Werth einer Hypothese ansprechen, für welche bei dem Mangel an sicheren Daten noch ein weiterer Spielraum offen stände. Einige Berechtigung für die ausgesprochene Ansicht liegt in dem für Pisum geführten Beweise, dass das Verhalten je zweier differirender Merkmale in hybrider Vereinigung unabhängig ist von den anderweitigen Unterschieden zwischen den beiden Stammpflanzen, und ferner, dass die Hybride so vielerlei Keim- und Pollenzellen erzeugt, als constante Combinationsformen möglich sind. Die unterscheidenden Merkmale zweier Pflanzen können zuletzt doch nur auf Differenzen in der Beschaffenheit und Gruppirung der Elemente beruhen, welche in den Grundzellen derselben in lebendiger Wechselwirkung stehen.

Die Geltung der für Pisum aufgestellten Sätze bedarf allerdings selbst noch der Bestätigung, und es wäre desshalb eine Wiederholung wenigstens der wichtigeren Versuche wünschenswerth, z. B. jener über die Beschaffenheit der hybriden- Befruchtungszellen. Dem einzelnen Beobachter kann leicht ein Differentiale entgehen, welches, wenn es auch anfangs unbedeutend scheint, doch so anwachsen kann, dass es für das Gesammt-Resultat nicht vernachläissigt werden darf. Ob die veränderlichen Hybriden anderer Pflanzenärten ein ganz übereinstimmendes Verhalten beobachten, muss gleichfalls erst durch Versuche entschieden werden ; indessen dürfte man vermuthen, dass in wichtigen Puncten eine principielle Verschiedenheit nicht vorkommen könne, da die Einheit im Entwicklungsplane des organischen Lebens ausser Frage steht.

Zum Schlusse verdienen noch eine besondere Erwähnung die von Kölreuter, Gärtner u. a. durchgeführten Versuche über die Umwandlung einer Art in eine andere durch künstliche Befruchtung. Diesen Experimenten wurde eine besondere Wichtigkeit beigelegt, Gärtner rechnet dieselben zu den "allerschwierigsten in der Bastarderzeugung."

Sollte eine Art A in eine andere B verwandelt werden, so wurden beide durch Befruchtung verbunden und die erhaltenen Hybriden abermals mit dem Pollen von B befruchtet; dann wurde aus den verschiedenen Abkömmlingen derselben jene Form ausgewählt, welche der Art B am nächsten stand und wiederholt mit dieser befruchtet, und sofort, bis man endlich eine Form ernielt, welche der B gleich kam und in ihren Nachkommen constant blieb. Damit war die Art A in die andere Art B umgewandelt. Gärtner allein hat 30 derartige Versuche mit Pflanzen aus den Geschlechtern: Aquilegia, Dianthus, Geum, Lavatera, Lychnis, Malva, Nicotiana und Oenothera durchgeführt. Die Umwandlungsdauer war nicht für alle Arten eine gleiche. Während bei einzelnen eine 3malige Befruchtung hinreichte, musste diese bei anderen 5- bis 6mal wiederholt werden; auch für die nämlichen Arten wurden bei verschiedenen Versuchen Schwankungen beobachtet. Gärtner schreibt diese Verschiedenheit dem Umstande zu, dass "die typische Kraft, womit eine Art bei der Zeugung zur Veränderung und Umbildung des mütterlichen Typus wirkt, bei den verschiedenen Gewächsen sehr verschieden ist, und dass folglich die Perioden, innerhalb welcher und die Anzahl von Generationen, durch welche die eine Art in die andere umgewandelt wird, auch verschieden sein müssen, und die Umwandlung bei manchen Arten durch mehr, bei anderen aber durch weniger Generationen vollbracht wird." Ferner bemerkt derselbe Beobachter, "dass es auch bei dem Umwandlungsgeschäfte darauf ankommt, welcher Typus und welches Individuum zu der weiteren Umwandlung gewählt wird."

Dürfte man voraussetzen, dass bei diesen Versuchen die Entwicklung der Formen auf eine ähnliche Weise wie bei Pisum erfolgte, so würde der ganze Umwandlungsprocess eine ziemlich einfache Erklärung finden. Die Hybride bildet so vielerlei Keimzellen, als die in ihr vereinigten Merkmale constante Combinationen zulassen, und eine davon ist immer gleichartig mit den befruchtenden Pollenzellen. Demnach ist für alle derartigen Versuche die Möglichkeit vorhanden, dass schon aus der zweiten Befruchtung eine constante Form gewonnen wird, welche der Pollenpflanze gleichkommt. Ob dieselbe aber wirklich erhalten wird, hängt in jedem einzelnen Falle von der Zahl der Versuchspflanzen ab, sowie von der Anzahl der differirenden Merkmale, welche durch die Befruchtung vereinigt wurden. Nehmen wir z. B. an, die für den Versuch bestimmten Pflanzen wären in 3 Merkmalen verschieden und es sollte die Art ABC in die andere abc durch wiederholte Befruchtung mit dem Pollen derselben umgewandelt werden. Die aus der ersten Befruchtung hervorgehende Hybride bildet 8 verschiedene Arten von Keimzellen nämlich:

     ABC, ABc, AbC, aBC, Abc, aBc, abC, abc.
Diese werden im zweiten Versuchsjahre abermals mit den Pollenzellen abc verbunden und man erhält die Reihe:

    AaBbCc + AaBbc + AabCc + aBbCc + Aabc + aBbc + abCc + abc
Da die Form abc in der 8gliedrigen Reihe einmal vorkommt, so ist es wenig wahrscheinlich, dass sie unter den Versuchspflanzen fehlen könnte, wenn diese auch nur in einer geringeren Anzahl gezogen würden, und die Umwandlung wäre schon nach zweimaliger Befruchtung vollendet. Sollte sie zufallig nicht erhalten werden, so müsste die Befruchtung an einer der nächst verwandten Verbindungen Aabc, aBbc, abCc wiederholt werden. Es wird ersichtlich, dass sich ein derartiges Experiment desto länger hinausziehen müsse, je kleiner die Anzahl der Versuchspflanzen und je grösser die Zahl der differirenden Merkmale an den beiden Stammarten ist, dass ferner bei den nämlichen Arten leicht eine Verschiebung um eine, selbst um zwei Generationen vorkommen könne, wie es Gärtner beobachtet hat. Die Umwandlung weit abstehender Arten kann immerhin erst im 5. oder 6. Versuchsjahre beendet sein, indem die Anzahl der verschiedenen Keimzellen, welche an der Hybride gebildet werden, mit den differirenden Merkmalen nach den Potenzen von 2 zunimmt.

Gärtner fand durch wiederholte Versuche, dass die wechselseitige Umwandlungsdauer für manche Arten verschieden ist, so dass öfter eine Art A in eine andere B um eine Generation früher verwandelt werden kann, als die Art B in die andere A. Er leitet daraus zugleich den Beweis ab, dass die Ansicht Kölreuter's doch nicht ganz stichhältig sei, nach welcher "die beiden Naturen bei den Bastarden einander das vollkommenste Gleichgewicht halten." Es scheint jedoch, dass Kölreuter diesen Tadel nicht verdient, dass vielmehr Gärtner dabei ein wichtiges Moment übersehen hat, auf welches er an einer anderen Stelle selbst aufmerksam macht, dass es nämlich "darauf ankommt, welches Individuum zur weiteren Umwandlung gewählt wird." Versuche, welche in dieser Beziehung mit zwei Pisum-Arten angestellt wurden, weisen darauf hin, dass es für die Auswahl der tauglichsten Individuen zu dem Zwecke der weiteren Befruchtung einen grossen Unterschied machen könne, welche von zwei Arten in die andere umgewandelt wird. Die beiden Versuchspflanzen waren in 5 Merkmalen verschieden, zugleich besass die Art A sämmtliche dominirende, die andere B sämmtliche recessive Merkmale. Für die wechselseitige Umwandlung wurde A mit dem Pollen von B und umgekehrt B mit jenem von A befruchtet, dann dasselbe an den beiderlei Hybriden im nächsten Jahre wiederholt. Bei dem ersten Versuche B/A waren im 3. Versuchsjahre für die Auswahl der Individuen zur weiteren Befruchtung 87 Pflanzen vorhanden, und zwar in den möglichen 32 Formen; für den zweiten Versuch A/B wurden 73 Pflanzen erhalten; welche in ihrem Habitus durchgehends mit der Pollenpflanze übereinstimmten, jedoch ihrer inneren Beschaffenheit nach eben so verschieden sein mussten, wie die Formen des anderen Versuches. Eine berechnete Auswahl war daher bloss bei dem ersten Versuche möglich, bei dem zweiten mussten auf den blossen Zufall hin, einige Pflanzen ausgeschieden werden. Von den letzteren wurde nur ein Theil der Blüthen mit dem Pollen von A befruchtet, der andere hingegen der Selbstbefruchtung überlassen. Unter je 5 Pflanzen, welche für die beiden Versuche zur Befruchtung verwendet waren, stimmten, wie der nächstjahrige Anbau zeigte, mit der Pollenpflanze überein:

   Erster      Zweiter
   Versuche    Versuch
     --------------------------------
   2 Pflanzen    ----      in allen Merkmalen
   3    "        ----      "    4       "
      ----     2 Pflanzen  "    3       "
      ----     2    "      "    2       "
      ----     1 Pflanze   "    1    Merkmal.

Für den ersten Versuch war damit die Umwandlung beendet, bei dem zweiten, der nicht weiter fortgesetzt wurde, hätte wahrscheinlich noch eine zweimalige Befruchtung stattfinden müssen.

Wenn auch der Fall nicht häufig vorkommen dürfte, dass die dominirenden Merkmale ausschliesslich der einen oder der anderen Stammpflanze angehören, so wird es doch immer einen Unterschied machen, welche von beiden die grössere Anzahl besitzt. Kommt die Mehrzahl der dominirenden Merkmale der Pollenpflanzen zu, dann wird die Auswahl der Formen für die weitere Befruchtung einen geringere Grad von Sicherheit gewähren, als in dem umgekehrten Falle, was eine Verzögerung in der Umwandlungsdauer zur Folge haben muss, vorausgesetzt, dass man den Versuch erst dann als beendet ansieht, wenn eine Form erhalten wird, die nicht nur in ihrer Gestalt der Pollenpflanze gleichkommt, sondern auch wie diese in den Nachkommen constant bleibt.

Durch den Erfolg der Umwandlungs-Versuche wurde Gärtner bewogen, sich gegen die Meinung derjenigen Naturforscher zu kehren, welche die Stabilität der Pflanzenspecies bestreiten und eine stäte Fortbildung der Gewächsarten annehmen. Es sieht in der vollendeten Umwandlung einer Art in die andere den unzweideutigen Beweis, dass der Species feste Grenzen gesteckt sind, über welche hinaus sie sich nicht zu ändern vermag. Wenn auch dieser Ansicht eine bedingungslose Geltung nicht zuerkannt werden kann, so findet sich doch anderseits in den von Gärtner angestellten Versuchen eine beachtenswerthe Bestätigung der früher über die Veränderlichkeit der Culturpflanzen ausgesprochenen Vermuthung.

Unter den Versuchsarten kommen cultivirte Gewächse vor, wie Aquilegia atropurpurea und canadensis, Dianthus Caryophyllus, chinensis und japonicus, Nicotiana rustica und paniculata , und auch diese hatten nach einer 4- bis 5maligen hybriden Verbindung nichts von ihrer Selbständigkeit verloren.


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