Mendel's Paper: A Collaborative Hypertext
6: Die Zweite Generation der Hybriden
Versuche über Pflanzen-Hybriden (1865)
von Gregor Mendel.
Die zweite Generation der Hybriden.
Jene Formen, welche in der ersten Generation den recessiven Character erhalten,
variiren in der zweiten Generation in Bezug auf diesen Character nicht mehr,
sie bleiben in ihren Nachkommen constant.
Anders verhält es sich mit jenen, welche in der ersten Generation das
dominirende Merkmal besitzen. Von diesen geben zwei Theile Nachkommen, welche
in dem Verhältnisse 3:1 das dominirende und recessive Merkmal an sich
tragen, somit genau dasselbe Verhalten zeigen, wie die Hybridformen; nur ein
Theil bleibt mit dem dominirenden Merkmale constant.
Die einzelnen Versuche lieferten nachfolgende Resultate:
- Versuch: Unter 565 Pflanzen, welche aus runden Samen der ersten Generation
gezogon wurden, brachten 193 wieder nur runde Samen und blieben demnach in
diesem Merkmale constant; 372 aber gaben runde und kantige Samen zugleich, in
dem Verhältnisse 3:1. Die Anzahl der Hybriden verhielt sich daher zu der
Zahl der Constanten wie 1.93:1.
- Versuch: Von 519 Pflanzen, welche aus Samen gezogen wurden, deren Albumen in
der ersten Generation die gelbe Färbung hatte, gaben 166 ausschliesslich
gelbe, 353 aber gelbe und grüne Samen in dem Verhältnisse 3:1. Es
erfolgte daher eine Theilung in Hybride und constante Formen nach dem
Verhältnisse 2.13:1.
Für jeden einzelnen von den nachfolgenden Versuchen wurden l00 Pflanzen
ausgewählt, welche in der ersten Generation das dominirende Merkmal
besassen, und um die Bedeutung desselben zu prüfen, von jeder 10 Samen
angebaut.
- 3. Versuch: Die Nachkommen von 36 Pflanzen brachten ausschliesslich graubraune
Samenschalen; von 64 Pflanzen wurden theils graubraune, theils weisse
erhalten.
- 4. Versuch: Die Nachkommen von 29 Pflanzen hatten nur einfach gewölbte
Hülsen, von 71 hingegen theils gewölbte, theils eingeschnürte.
- 5. Versuch: Die Nachkommen von 40 Pflanzen hatten blos grüne Hülsen,
die von 60 Pflanzen theils grüne, theils gelbe.
- 6. Versuch: Die Nachkommen von 33 Pflanzen hatten blos axenständige
Blüthen, bei 67 hingegen waren sie theils axenständig, theils
endständig.
- 7. Versuch. Die Nachkommen von 28 Pflanzen erhielten die lange Axe, die von 72
Pflanzen theils die lange, theils die kurze.
Bei jedem dieser Versuche wird eine bestimmte Anzahl Pflanzen mit dem
dominirenden Merkmale constant. Für die Beurtheilung des
Verhältnisses, in welchem die Ausscheidung der Formen mit dem constant
bleibenden Merkmale erfolgt, sind die beiden ersten Versuche von besonderem
Gewichte, weil bei diesen eine grössere Anzahl Pflanzen verglichen werden
konnte. Die Verhaltnisse 1.93:1 und 2.13:1 geben zusammen fast genau das
Durchschnitts-Verhältniss 2:1. Der 6. Versuch hat ein ganz
übereinstimmendes Resultat, bei den anderen schwankt das Verhältniss
mehr oder weniger, wie es bei der geringen Anzahl von 100 Versuchspflanzen
nicht anders zu erwarten war. Der 5. Versuch, welcher die grösste
Abweichung zeigte, wurde wiederholt, und dann, statt des Verhaltnisses 60:40,
das Verhältniss 65:35 erhalten. Das Durchschnitts-Verhältniss 2:1
erscheint demnach als gesichert. Es ist damit erwiesen, dass von jenen Formen,
welche in der ersten Generation das dominirende Merkmal besitzen, zwei Theile
den Hybriden Character an sich tragen, ein Theil aber mit dem dominirenden
Merkmale constant bleibt.
Das Verhältniss 3:1, nach welchem die Vertheilung des dominirenden und
recessiven Characters in der ersten Generation erfolgt, löst sich demnach
für alle Versuche in die Verhältnisse 2:1:1 auf, wenn man zugleich
das dominirende Merkmal in seiner Bedeutung als Hybrides Merkmal und als
Stamm-Character unterscheidet. Da die Glieder der ersten Generation unmittelbar
aus den Samen der Hybriden hervorgehen, wird es nun ersichtlich, dass die
Hybriden je zweier differirender Merkmale Samen bilden, von denen die eine
Hälfte wieder die Hybridform entwickelt, während die andere Pflanzen
gibt, welche constant bleiben, und zu gleichen Theilen den dominirenden und
recessiven Character erhalten.
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